Wie werden Stephan Balkenhols Skulpturen auf den Kirchenraum reagieren?
Was unterscheidet einen Ausstellungsraum vom sakralen Raum?
Wie steht es um die komplexe Beziehung zwischen Kirche und Kunst, zwischen katholischem Anspruch auf Verkündigung und ‚Freiheit der Kunst’, zwischen Gläubigen und provozierenden Kunstwerken?
Welche Wirkungen haben die vielfältigen Themen, die die documenta 13 schon jetzt in zahlreichen Foren und ihren „100 Notizen – 100 Gedanken“ anschlägt?
Wer ist der „schöpferische Mensch“?
Das sind nur einige der Fragen, die besten Stoff fürs Vor- und Nachdenken, für Gespräche, Debatten und Diskussionen bieten. 15 Gelegenheiten, diesen Stoff intensiv zu besprechen, eröffnet die Vortragsreihe zur Balkenhol-Ausstellung zur richtigen Zeit am richtigen Ort: immer sonntags, 16:30 Uhr, Sankt Elisabeth (nur am 16.9. nicht). Der Eintritt ist frei.
Die Vorträge in der Übersicht:
Sonntag, 10. Juni, 16:30 Uhr, Kirche Sankt Elisabeth:
Erhard Christiani: Kunst – was ist das? Versuch einer Definition
In seinem Vortrag beschäftigt sich Christiani mit den Kunstbegriffen im Wandel der Zeiten, mit der Kunst in Relation zur Ästhetik und den Unterscheidungsmerkmalen von Kunst oder Nicht-Kunst.
Sonntag, 10. Juni, 16:30 Uhr, Kirche Sankt Elisabeth:
Prof. Dr. Wolfgang Ullrich: Religion gegen Kunstreligion. Zum Kölner Fensterstreit
Als 2007 das Domfenster Gerhard Richters im Kölner Dom eingeweiht wurde, kam es zu einem Streit über kritische Äußerungen von Kardinal Joachim Meisner. Er wehrte sich als Repräsentant der Religion gegen die Konkurrenz der Kunstreligion, die er in Richters Fenster repräsentiert sah. Dieser Streit war relevanter, als er oft wahrgenommen wurde, er verweist auf ein zentrales Motiv modernen Verständnisses von Kunst und reicht in seinen ideologischen Grundlagen zurück bis in die Romantik. Prof. Dr. Wolfgang Ullrich unternimmt eine Rekonstruktion, Analyse und Deutung dieses Streits.
Sonntag, 24. Juni, 16:30 Uhr, Kirche Sankt Elisabeth:
Christof Nolda: Der offenherzige Blick über die Stadt. Neue Wahrnehmungen durch Kunst
Stadtentwicklungsplanung und ihre Zielfindung werden bestimmt von den zur Verfügung stehenden Wahrnehmungsebenen. Die Kunst ist ein Weg, neue Wahrnehmungen zu entdecken. „Ich brauche nur aus dem Fenster zu sehen." sagt dazu Christof Nolda und lacht. Die Aufgaben in der Stadtentwicklung bedürfen immer neuer Sichtweisen und damit neuer Wahrnehmungen.
Dienstag, 26. Juni 2012, 16 Uhr, Kirche Sankt Elisabeth:
Prof. Dr. Rita Burrichter: Was sieht, wer was sieht? Praktische Theologie im Gespräch mit kunstwissenschaftlichen Fragen
Die menschlichen Sehgewohnheiten werden bei der Betrachtung zeitgenössischer Kunst irritiert und provoziert. Welche Hilfestellungen gibt es für das Erschließen zeitgenössischer Kunst? Wie zitieren Künstler/innen religiöse Motive und wie setzen sie sich mit ihnen auseinander?
Zur Person: Dr. Rita Burrichter ist Professorin für Praktische Theologie an der Universität Paderborn.
Eine Kooperationsveranstaltung mit der Universität Kassel/Katholische Theologie unter Leitung von Prof. Dr. Annegret Reese-Schnitker.
Sonntag, 1. Juli, 16:30 Uhr, Kirche Sankt Elisabeth:
Prof. DDr. Thomas Sternberg: Figuren von Göttern und Menschen. Über religiöse und profane Menschenbilder in der europäischen Kunst
Hier ist der Vortrag nachzuhören ...
In seinem Vortrag beschäftigt sich Thomas Sternberg mit der Figurenwelt des Stephan Balkenhol: der Menschendarstellung "frei von Pathosformeln". Dazu steht im Kontrast die biblische wie frühchristliche Bildpolemik und die Legitimierung christlicher Kunst. Wie wurden und werden Skulptur und profaner Schmuck kultisch genutzt? Was trug zur Säkularisierung der Skulptur bei und wie wird das Heilige in der Plastik der Moderne dargestellt?
Sonntag, 8. Juli, 16:30 Uhr, Kirche Sankt Elisabeth:
Prof. Dr. Johanna Rahner, Universität Kassel: Mensch – Macht – Kunst. Der Mensch als Schöpfer und Gestalter von Welt fordert die Theologie heraus
Hier ist der Vortrag nachzuhören ...
‚Imago’ – Bild ist einer der zentralen Begriffe, die die Theologie zur Bezeichnung des Menschen kennt. Damit beschreibt sie den Menschen in seiner Würde wie in seinen Abgründen. Er ist Bild des Schöpfers selbst, Gestalter von Welt, hat die Kunst des Gestaltendürfens als Gabe erhalten. Und er hat mit dieser Begabung zugleich die fatale Neigung zur Bemächtigung erworben, die Fähigkeit, mehr tun zu können als man sollte.
EXTRA: Freitag, 13. Juli, 19:00 Uhr, Kirche Sankt Elisabeth:
Prof. Dr. Matthias Winzen: Ein Gast: Stephan Balkenhol
Hier ist der Vortrag nachzuhören ...
„Die mild und still, aber beharrlich präsenten Skulpturen von Stephan Balkenhol sind Bilder des Zweifels, Zweifel nicht als narratives Motiv, sondern als Struktur der bildlichen Wirkweise. In seiner Kunst geht es nicht um die klare Richtung, sondern darum, durch präzise Vieldeutigkeit und Varianz des Bildlichen geistigen Spielraum zurückzugewinnen. Spielraum ist hier nicht mit Beliebigkeit zu verwechseln, sondern es geht um eine Art spielerischen Konzentrationsraum, einen anspruchsvollen bildlichen Vorstellungsraum, der andere, selbst erzeugte Imaginationen von innen erlaubt, anders als die auf neurophysiologische Überrumpelung von außen angelegte Bilderflut des informationellen Spätkapitalismus. Verkörpert in Holz, stellen sich Balkenhols Bilder des Zweifels gegen die Enteignung der individuellen Vorstellungskraft.“ (Aus seinem Beitrag zum Katalog)
Sonntag, 15. Juli, 16:30 Uhr, Kirche Sankt Elisabeth:
Pater Friedhelm Mennekes SJ: Räume - sakrale Räume. Ihre Kraft und ihre Funktion
Hier ist der Vortrag nachzuhören ...
In Zeiten der Veränderung kirchlicher Bedingungen braucht es Überlegungen zur Gestalt und Form der kirchlich genutzten Räume, die sich nicht nur an den aktuellen Bedürfnissen orientieren, sondern auch die Grundsatzfragen und Probleme moderner Kunst einbeziehen. Diesen Problemen will sich Pater Mennekes in seinem Vortrag stellen.
Sonntag, 22. Juli, 16:30 Uhr, Kirche Sankt Elisabeth:
Prof. Dr. Josef Meyer zu Schlochtern: Der Streit um Bilder in der Kirche – Warum Heiligenfiguren? Wozu moderne Kunst?
Hier ist der Vortrag nachzuhören ...
Es scheint selbstverständlich zu sein, dass Bilder in den Kirchen hängen: Kreuze, Marienfiguren oder Heiligenbilder. Viele Gläubige zünden Kerzen vor den Bildern an und beten dort. Andererseits stoßen Bilder auf Kritik und Widerstand – viele wurden in der Geschichte von "Bilderstürmern" zerstört. Der Vortrag erörtert die Frage, welchen Sinn eigentlich Bilder in den Kirchen haben – ob es sich nun um alte Werke handelt oder um Werke der Gegenwartskunst.
Sonntag, 29. Juli, 16:30 Uhr, Kirche Sankt Elisabeth:
Bruder Paulus: Komm, meine Schöne ... - Warum mein Glauben gefährlich ist und ich die Kunst zur Gefährtin brauche
Hier ist der Vortrag nachzuhören ...
„Zu den vornehmsten Betätigungen der schöpferischen Veranlagung des Menschen zählen mit gutem Recht die schönen Künste, ins-besondere die religiöse Kunst und ihre höchste Form, die sakrale Kunst [...] Darum war die lebenspendende Mutter Kirche immer eine Freundin der schönen Künste." ("Sacrosanctum Concilium" 122, Konstitution über die heilige Liturgie)
Bruder Paulus spürt in seinem persönlich gehaltenen Vortrag nach, wie Werke der bildenden Kunst sein Denken und Glauben geprägt haben.
Sonntag, 5. August, 16:30 Uhr, Kirche Sankt Elisabeth:
Prof. Dr. Richard Hoppe-Sailer: Kunst und Kirche. Neue Annäherungen – alte Missverständnisse
In jüngster Zeit ist ein verstärktes Interesse an den vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen Kunst und Religion zu beobachten. Der Vortrag wird diese Entwicklung in historischer Perspektive nachzeichnen und zu einigen aktuellen Positionen kritisch Stellung beziehen.
Sonntag, 12. August, 16:30 Uhr, Kirche Sankt Elisabeth:
Domvikar Paul Weismantel: Jetzt - Begegnung - schön! Vom Atmen und der Kunst
Aller guten Dinge sind bekanntlich drei. "Jetzt" - "Begegnung" - "Schön" sind drei Schlüsselworte, die einladen zum Verweilen, zum Schauen und Staunen. Es geht dabei um Gedanken entfalten, Erinnerungen erzählen und damit neue wecken, die der Seele gut tun und sie aufatmen lassen. Vielleicht kann so Kunst zu einer neuen Kraftquelle werden.
Benita Joswig
* 1. Januar 1965 † 2. Oktober 2012
Sonntag, 19. August, 16:30 Uhr, Kirche Sankt Elisabeth:
Dr. Benita Joswig und Birgitta Schwansee: Gib mir ein Zeichen! Künstlerin und Grafikerin im Gespräch.
Gemeinsam werden aus zwei unterschiedlichen Perspektiven und Arbeitsbereichen die jeweilige Zeichensprache unter die Lupe genommen, nach Differenzen und Überschneidungen gesucht, aber auch grundlegend gefragt: Zeige mir, was Du nicht siehst!
Kommunikationsdesignerin Birgitta Schwansee (l.) und die bildende Künstlerin und Theologin Dr. Benita Joswig (r., gestorben am 2. Oktober 2012).
"Grüne Ohren Books Writing Paramente Altäre Fussbad ..."
Sonntag, 26. August, 16:30 Uhr, Kirche Sankt Elisabeth:
Prof Dr. Ilse Müllner, Studierende des Fachs Biblische Theologie und Olaf Pyras: Von Angesicht zu Angesicht: Sehen und Erkennen
Hier ist der Vortrag nachzuhören ... (Da Prof. Dr. Ilse Müllner erkrankt ist, liest Christoph Baumanns ihre Texte. / Aufgrund einer technischen Störung ist der Text "Frau mit blondem Haar" von Marion Heßberger in den ersten Minuten nicht zu hören.)
Hier sind die einzelnen Stimmen nachzulesen ...
Der Bildhauer Stephan Balkenhol, der die Kasseler Kirche Sankt Elisabeth mit Holzreliefs und Figuren künstlerisch gestaltet hat, sagt über seine Arbeiten: „Meine Skulpturen erzählen keine Geschichten. In ihnen versteckt sich etwas Geheimnisvolles. Es ist nicht meine Aufgabe, es zu enthüllen, sondern die des Zuschauers, es zu entdecken.“
Prof. Dr. Ilse Müllner von der Universität Kassel hat sich mit Studierenden des Fachs „Biblische Theologie“ darangemacht, einigen der Geheimnisse auf die Spur zu kommen.
Dabei verleihen Tobias Hansen, Lars Heldt, Marion Heßberger, Franziska Luksch und Theresa Michel manchen Relieffiguren eine eigene Stimme. Der "Mann mit dunkelblauem Hemd", die "Frau mit blondem Haar", der "Mann mit Tod" und Frau und Mann in der "Paradies"-Darstellung geben so einen vorübergehenden Einblick in ihre Geheimnisse.
Prof. Müllner widmet ihre Fragen dem "Augenkreuz" von Stephan Balkenhol. Das sind vier Relieftafeln mit zahlreichen Augen. Der leere Raum zwischen den Innenkanten der Tafeln ergibt wiederum ein Kreuz. "Wer schaut hier wen an? Wen sehe ich, wenn ich dich sehe?"
Der Kasseler Schlagwerker Olaf Pyras improvisiert dazu mit verschiedenen Klangmaterialien. So wandelt sich Sankt Elisabeth in einen Seh-, Stimmen- und Klangraum, der es für das Publikum am Sonntag, den 26. August, 16:30 Uhr, "in sich hat".
Im Anschluss an den Gruppenvortrag gestaltet Prof. Dr. Ilse Müllner gemeinsam mit den Studierenden auch den Dekanatsgottesdienst um 18 Uhr, dem Dechant Harald Fischer vorsteht.
Olaf Pyras, Schlagwerk
Sonntag, 2. September, 16:30 Uhr, Kirche Sankt Elisabeth:
Meinrad Ladleif und Rana Matloub: Nichts ist vergeblich! Die Welt ein Misthaufen. Die Kunst ein Garten Eden?!
Besondere Beachtung bekommen die künstlerischen Ideen, die vor der Zusammenarbeit mit Stephan Balkenhol für die Gestaltung der Kirche Sankt Elisabeth im Spiel waren. "Nichts ist vergeblich", sagen Ladleif und Matloub und versprechen "ein performatives, poetisches Würdigen der Ideen mit exotischen Pflanzen und bekannten Lebensmitteln".
Sonntag, 9. September, 16:30 Uhr, Kirche Sankt Elisabeth:
Bernhard Balkenhol: Auge und Hand - was kann Kunst?
Hier ist der Vortrag nachzuhören ...
Der Bildhauer Stephan Balkenhol erklärt, wie er eine Skulptur von einem Löwen herstellt: „Ich nehme ein Stück Holz und schlage alles weg, was kein Löwe ist.“ Wenn dem so einfach wäre, gäbe es eine direkte Verbindung von Auge und Hand. Aber das Auge sieht nur, was der Kopf sehen will, und die Hand ist selten so geschickt, die Formen herzustellen, die das biologische Auge meldet. Was weiß denn das Auge?
Stephan Balkenhols Bild aufnehmend muss man ja wissen, dass die Hand immer nur in das Material eingreift, das heißt dass die Skulptur nach jedem Schlag mit dem Stechbeitel immer schon fertig ist, nur das „Auge“ entscheidet, ob es diesen Zustand schon als fertig akzeptiert. Und was ist mit der Hand? Hat oder schreibt sie auch eine Schrift? Gibt es eine „Schrift“ zwischen Hand und Auge? Ist das die Kunst? Und nicht der hölzerne Löwe, den der Künstler dem Betrachter auf den Sockel stellt. Und was kann dann Kunst?